24.02.2024: Straßenbahnen in Mannheim und Ludwigshafen

An einem erfreulich trockenen, teils sonnigen Februarsamstag bot sich die Gelegenheit, der Stilllegung des Bahnhofs Frankfurt-Höchst wegen Oberleitungsarbeiten zum Trotz einen Tagesausflug an Rhein und Neckar zu machen, nämlich in die *hust* wunderhübschen Zwillingsstädte Mannheim und Ludwigshafen.

Streckensammeln und Straßenbahntypologie

Zunächst wurde die Gelegenheit genutzt, das Mannheimer Straßenbahnnetz etwas abzufahren. Hierzu bot sich das Linienbündel 4/4A im Nordosten an, das an der Haltestelle „Hermann-Gutzmann-Schule“ in den oben zu sehenden kürzeren Ast zur Endhaltestelle „Käfertaler Wald“ (Linie 4A) sowie einen etwas längeren Ast zur Endhaltestelle „Waldfriedhof“ (Linie 4) verzweigt.

Das hier zu sehende Straßenbahnfahrzeug ist vom Typ „Rhein-Neckar-Variobahn“, der um die Jahrtausendwende als Ergebnis der Bemühungen der damals noch selbständigen Verkehrsbetriebe von Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen sowie der Oberrheinischen Eisenbahn (OEG) entstand, einen gemeinsamen Straßenbahntyp zu beschaffen. Vom Hersteller ADtranz, später durch Bombardier übernommen, wurden von 2002 bis 2013 mehrere Chargen geliefert, die alle im Gegensatz zu sechs vorher bereits von der OEG beschafften Variobahnen in der Breite um 10 cm auf 2,40m Breite zurückgenommen wurden, um im gesamten Straßenbahnnetz einsetzbar zu sein. Es gibt vier Varianten, die sich durch die Wagenlänge (fünf- oder siebenteilig) sowie den Ein- oder Zweirichtungsbetrieb unterscheiden. Der 5711 im Bild ist beispielsweise vom Typ „RNV8ER“, d.h. ein siebenteiliges Einrichtungsfahrzeug. Die Wagen dieser zweiten und der späteren dritten Charge haben als Besonderheit „MITRAC Energy Saver“ genannte Superkondensatoren, um beim Bremsen erzeugte Energie zu speichern und zum Anfahren zu nutzen und dadurch den Gesamtstromverbrauch zu reduzieren.

Am Umsteigepunkt „Universitätsklinikum“ wurde auf die nach Osten in den Stadtteil Vogelstang führende Linie 7 gewechselt. Hier fuhr der Straßenbahnwagen mit der Nummer 5646 vor, ein 6MGT des Herstellers Duewag aus dem Jahr 1995 vor, der mit Werbung für ein Auktionshaus beklebt wurde. Die 6MGT/8MGT wurden vor den Variobahnen von den Verkehrsbetrieben in Mannheim und Ludwigshafen sowie der Rhein-Haardt-Bahn (damalige Betreiberin der Strecke nach Bad Dürkheim) recht kurzfristig unter „Rationalisierungsdruck“ beschafft, denn selbst die jüngsten Duewag-Einheitswagen waren bereits mehr als 20 Jahre alte Hochflurer, personalintensiv und nicht gestiegenen Fahrgastzahlen genügend. Duewag wurde beauftragt, fünf- (6MGT) sowie siebenteilige (8MGT), weitestgehend niederflurige Multigelenktriebwagen zu bauen, ob des Zeitdrucks wurde sogar auf Prototypen verzichtet. Intern verwendete man bei den Verkehrsbetrieben übrigens trotz der Verwechslungsgefahr mit den anderen gleichnamigen Duewag-Typen die Bezeichnungen GT6N und ET8N statt 6MGT und 8MGT.

Eine Besonderheit, die ich, wenn ich mich richtig erinnere, so noch in keiner anderen Straßenbahn jenseits des „Ebbelwei Express“ und dort auch in anderer Form, nämlich aus Holz, gesehen habe, sind die stählernen Tische im hintersten Abteil mancher hier fahrenden Straßenbahn. Im Variobahn-Wagen 5711 entstand die Aufnahme nebenan, man kann da nicht nur wunderbar hinten raus schauen sondern quasi auch picknicken. Ich bin mir nicht ganz sicher, in welchen Fahrzeugtypen es diese Tische alles gibt, aber ich meine zumindest im Wagen mit der Nummer 2211, einem 6MGT, auch welche gesehen zu haben — und zwar eingesaut: das „Picknick“ bestand hier aus dem Konsum von McDonalds Fast Food, nur dass die Hälfte der Pommes auf dem Boden lag… nicht sehr einladend das. In den anderen Wagen, die wir heute nutzten, sah es zum Glück nicht so schlimm aus, aber dafür sind die Plätze hinten begehrt und waren dadurch oft bereits belegt. Man kann halt nicht alles haben!

Vogelstang besitzt übrigens nicht nur einige Hochhäuser, vor der Endhaltestelle „Vogelstang“ durchfährt man mit dem „Vogelstang Center“ auch einen ziemlich hässlichen Querriegel mit integrierter Haltestelle „Vogelstang Zentrum“ samt Edeka, KiK, TeDi und Tattoostudio. Ob man von der weitgehenden Abwesenheit von Google Street View-Bildern darauf schließen kann, dass es auch ein sozialer Brennpunkt ist, weiß ich nicht. Aber Brennpunkt oder nicht, wir waren ja nicht zur Stadtteilbesichtigung sondern zur Netzbefahrung da, also ging es alsbald zurück und zwar bis zur Haltestelle „Neckarplatt“.

Denn dort, einigermaßen im luftleeren Nichts zwischen Neckar, östlicher Riedbahn-Eisenbahnstrecke, Kleingärtenanlagen, Sportstätten und Feudenheim sollte auf die Linie 2 nach eben jenem Stadtteil gewechselt werden, ebenfalls im Osten Mannheims liegend aber unterhalb Vogelstangs und dem darunter liegenden Wallstadt. „Sollte“ und wurde letztlich auch, aber mit einiger Verspätung, denn die nächste kommende Straßenbahn war gut eine Viertel Stunde zu spät.

Alles nicht so schlimm, aber dann kam mit Wagen 1406 auch noch der neuste und modernste Straßenbahntyp bei der RNV, eine „Rhein-Neckar-Tram 2020“ (RNT 2020) alias Škoda ForCity Smart 36T/37T/38T. Gut, im Sinne von „oh, Abwechslung, wir sehen heute wirklich verschiedene Straßenbahntypen“, aber gleichzeitig schlecht, im Sinne von „welcher Mensch mit Verstand kommt auf die Idee Holzsitze in ein Neubaufahrzeug einzubauen ?!“.

Von länger bekannten Umleitungen…

Nur zwei Brücken über den Rhein verbinden Mannheim und Ludwigshafen und beide sind mit Straßenbahngleisen versehen: normalerweise wird die nördliche Kurt-Schumacher-Brücke von den Linien 6/6A befahren, die südliche Konrad-Adenauer-Brücke von den Linien 4/4A und 7 sowie den Expresslinien 8 und 9.

Ausschnitt aus dem regulären Liniennetzplan mit den beiden Rheinbrücken und den dort verkehrenden Linien

Deren Befahrungen können wir – da Planverkehr – so auch an irgendeinem beliebigen anderen Tag machen, besonders wird es aber, wenn Umleitungen dazu führen, das nicht-alltägliche Verbindungskurven oder gar ganze Strecken befahren werden.

Zu solchen Umleitungen gehörte eine, die sich sogar in einen temporär geänderten Liniennetzplan auf der RNV-Webseite niederschlug: vom 19. bis 24. Februar, also genau bis heute, war im Zusammenhang mit Bauarbeiten zum Neubau der Hochstraße Süd die Konrad-Adenauer-Brücke gesperrt, also die südliche der beiden Rheinbrücken. Die Linien 4/4A wurden deshalb über die nördliche Kurt-Schuhmacher-Brücke umgeleitet, die Linie 7 zweigeteilt: in einerseits einen im Ludwigshafener Luitpoldhafen endenden Teil sowie einem in Mannheim via Wasserturm, Paradeplatz und Abendakademie wendenden Teil. Die Linie 8 fiel ersatzlos aus, die Linie 9 verkehrte wegen Personalmangel ohnehin bereits seit Dezember 2023 nicht mehr.

Ausschnitt aus dem vorübergehenden Liniennetzplan mit der Sperrung der Konrad-Adenauer-Brücke

Nun bekommt man bei der Fahrt entlang der Kurt-Schumacher-Brücke vom Panoramasitzplatz hinten in der Straßenbahn heraus bereits einen ersten Eindruck des legendären brutal-schönen Betoncharakters Ludwighafens zu sehen…

…dies wäre aber wie gesagt mit den Linien 6/6A auch ganz regulär möglich. Aber: die Liniennetzpläne verrieten noch eine Besonderheit und die sieht man am besten, wenn man die zwei relevanten Ausschnitte des normalen und des temporären direkt nebeneinander legt:

Neben der Sperrung der Konrad-Adenauer-Brücke fiel nämlich auch der normalerweise befahrene direkte Weg der Linien 4/4A vom Berliner Platz nach Ludwigshafen Hauptbahnhof via Kaiser-Wilhelm-Straße weg, möglicherweise weil sonst eine Weiterbedienung des wohl wichtigsten Umsteigeknotens Ludwigshafens, dem Berliner Platz, nicht möglich gewesen wäre.

Stattdessen führte die Umleitung Richtung Hauptbahnhof zunächst nach Süden weiter auf dem Linienweg der Linien 6/6A und zwar bis zur Haltestelle „Südwest-Stadion“. Hier gibt es ein Gleisdreieck, von dem auf die heute nur noch als Betriebsstrecke genutzte Verbindung entlang der Richard-Dehmel-Straße zum Hauptbahnhof abgebogen werden kann.

Dass diese Verbindung früher mal regulär befahren wurde, sieht man am Vorhandensein von Bahnsteigen der Haltestelle „Südwest-Stadion“ nicht nur in der Saarlandstraße sondern auch hier in der Richard-Dehmel-Straße, die Wetterschutzhäuschen zeigen sogar aktuelle Werbung. Es könnte natürlich theoretisch auch sein, dass hier Sonderbahnen zum Südwest-Stadion beginnen und enden, wenn dort gespielt wird.

In der Richard-Dehmel-Straße selbst folgt ansonsten keine weitere Haltestelle, dafür ist der Abschnitt auch zu kurz. Die zweigleisige Verbindungsstrecke liegt hier neben der eigentlichen Straße und der Außenmauer des Abbvie-Werks, einem BioPharma-Unternehmen, das laut Selbstdarstellung „auf die Erforschung und Entwicklung innovativer Therapien für einige der schwersten und komplexesten Erkrankungen der Welt spezialisiert“ ist.

Nach keinen 200 Metern folgt eine Kurve mit einer Rampe hinab in einen Einschnitt und in dem wartet eine weitere wahre Schönheit:

Dies ist die ehemalige Straßenbahnhaltestelle „Hauptbahnhof Ostausgang“ am Jacob-von-Lavale-Platz, eine wahre Augenweide an Beton. Die Zugänge sind gesperrt, trotzdem meinte hier jemand einen E-Scooter auf der Treppe ablegen zu müssen.

Dahinter beginnt ein kurzer Tunnel und dann erreicht man bereits die heute noch regulär genutzte unterirdische Haltestelle „Hauptbahnhof“, allerdings auf den ansonsten regulär nicht befahrenen Gleisen 3 und 4.

Von der Bildperspektive aus „hinter uns“ werden diese mit den Gleisen 1 und 2 zusammen geführt und an der Lorientallee erblickte unsere umgeleitete Straßenbahn dann wieder das Tageslicht und fuhr den regulären Fahrweg über die Rohrlachstraße Richtung Oggersheim und Bad Dürkheim.

Aber: im Bild oben sieht man an der Ausfahrt aus Richtung Südwest-Stadion auch noch zwei Weichen, mittels derer von Gleis 3 und 4 aus wiederum die Gleise 1 und 2 und die Rampe zur Kaiser-Wilhelm-Straße erreicht werden können. Nur: warum sollten Bahnen von/zur Lorientallee die Gleise 3 und 4 anfahren und dann doch wieder rüber wechseln?

Nun, das tun sie nicht und das taten sie auch früher nicht. Die Überführung der Strecke „hinter uns“ nach Gleis 1 und 2 gibt es so erst seit 2008. Denn vorher waren auch dort Weichen und führte dort ein weiterer Tunnel unter der Rampe der Lorientallee hindurch zur unterirdischen Haltestelle „Danziger Platz“ unter der heutigen B44. Von dort ging es weiter zu einer weiteren Ebene unterhalb der heutigen Straßenbahnhaltestelle „Ludwigshafen Rathaus“, die damals dadurch also ein unterirdischer Turmbahnhof war, bis der Tunnel vor dem Rhein nach Norden abknickend südlich der Haltestelle „Hemshofstraße“ in die Strecke zur BASF bzw. nach Oppau mündete.

Der gesamte Streckenzug Südwest-Stadion – Hauptbahnhof Ostausgang – Hauptbahnhof – Danziger Platz – Ludwigshafen Rathaus – Hemshofstraße, die sogenannte C-Strecke und dementsprechend der C-Tunnel, wurde zuletzt von einer nur zu den Hauptverkehrszeiten verkehrenden Straßenbahnlinie 12 von Rheingönheim nach Oppau befahren. Bis 2008, denn angesichts von nur 1000 Fahrgästen am Tag und dafür sieben notwendigen Straßenbahnfahrzeugen wurde die Linie eingestellt, der C-Tunnel stillgelegt und der Abschnitt Südwest-Stadion – Hauptbahnhof zur Betriebsstrecke herab gestuft.

Dass es den C-Tunnel überhaupt gibt, ist ein bisschen den Wirren der Stadtplanung der 1950er und 1960er geschuldet, als man als Teil des Projekts „Visitenkarte“ neben der Verlegung des Hauptbahnhofs, (der damals noch dort stand, wo sich heute das Rathaus befindet) den Bau einer U-Straßenbahn bzw. U-Stadtbahn beschloss — ob Straßenbahn mit Verästelungen und engeren Kurven oder kreuzungsfreie Stadtbahn, da war man sich im Laufe der Zeit wohl nicht immer ganz einig bzw. verfolgte ein „Mal so, mal so“. Wie es ein Rückblick im „Nahverkehr Rhein-Neckar“-Forum so schön erzählt, war überdies der Tunnel vom Rathaus zur Hemshofstraße wohl dem Wunschdenken geschuldet, dass er von BASF-Pendlern genutzt werden möge. Aus dem selben Grund baute man übrigens auch unmittelbar an der Tunnelausfahrt vom Hauptbahnhof an der Lorientallee noch einen Abzweig von Oggersheim/Bad Dürkheim her zum C-Tunnel, um auch hier RHB-Pendlerzüge zur BASF zu ermöglichen.

Das „Strassenbahn Magazin“ beschrieb den Tunnel als „Opfer einer paradoxen Netzstruktur“:

„Die Planer und Entscheider von damals bescherten der Ludwigshafener Straßenbahn eine paradoxe Netzstruktur. Denn während fast alle Schienentunnel in den Zentren deut­scher Großstädte als Stammstreckentunnel konzipiert sind, in die mehrere Zweigstrecken aus den Vororten einmünden, ist es in Ludwigshafen genau umgekehrt.“

https://strassenbahn-magazin.de/leseprobe/abschied-einer-u-stra%C3%9Fenbahn-ludwigshafen?page=5

Aber schön, dass wir heute zumindest noch einen Teil dieses „Paradoxons“, den oberirdischen Teil der C-Strecke mitnehmen konnten!

…und spontanen Irrfahrten

Das war aber noch nicht alles, denn neben dieser länger vorab kommunizierten Umleitung kamen heute aufgrund von Demonstrationen in der Innenstadt weitere hinzu. Denn da die Haltestellen zwischen „Alter Feuerwache“ und „Paradeplatz“ nicht angefahren werden konnten, war kurzfristig geplant:

  • Linie 1 zwischen Hauptbahnhof und Alte Feuerwache via Rosengarten, Nationaltheater und Schafweide
  • Linie 2 zwischen Alte Feuerwache und Universitätsklinikum direkt via Schafweide
  • Linie 3 zwischen Alte Feuerwache und Kunsthalle via Rosengarten, Nationaltheater und Schafweide
  • Linien 4/4A zwischen Universitätsklinikum und Rheinstraße via Nationaltheater, Kurpfalzbrücke Ost und Dalbergstraße
  • Linie 5 zwischen Collini-Center und Nationaltheater via Gewerkschaftshaus
  • Linien 6/6A zwischen Tattersall bzw. Kunsthalle und Rheinstraße via Rosengarten, Kurpfalzbrücke Ost und Dalbergstraße
  • Linie 7 statt „kleiner“ Wendeschleife via Wasserturm, Paradeplatz und Wasserakademie eine „große“ Wendeschleife via Hauptbahnhof, Schloss, Paradeplatz, Dalbergstraße und Kurpfalzbrücke Ost.

Woraus sich die Befahrung folgender Verbindungskurven ergeben hätte:

  • Friedrich-Ebert-Brücke – Schafweide südlich der Haltestelle „Universitätsklinikum“ (Linie 1, 2, 3)
  • Schafweide – Alte Feuerwache Steige D/E an der Mittelstraße (Linie 1, 2, 3)
  • Friedrichsring – Hans-Böckler-Straße (Linie 5)
  • Friedrichsring – Luisenring (Linien 4/4A, 6/6A)

Um es kurz zu machen: wir haben fast alle Verbindungskurven geschafft und zwar in beiden Richtungen, was durchaus eine Herausforderung war, da weder die Onlineauskunftsseiten noch die Haltestellenanzeigen korrekte Informationen wiedergaben. Und auch die Bahnen wussten selbst nicht immer, wohin sie jetzt fuhren, wie man am Bild oben sieht. Dementsprechend gelangen uns später am Nachmittag, als die Demonstrationen langsam zu Ende gingen, die ersten beiden nur in Fahrtrichtung „Alte Feuerwache“, aber auch damit können wir gut leben.

Abschließend wurde dann noch die Gelegenheit genutzt, mit der Linie 6 die nicht immer befahrene Strecke Neuostheim – SAP Arena S-Bahnhof mitzunehmen und danach ging es bei eingebrochener Dunkelheit heim.