07.01.2024: Neujahrsfahrt mit historischen Straßenbahnen durch Braunschweig

In Braunschweig gibt es die Interessensgemeinschaft Nahverkehr und die stellt sich wie folgt vor:

OpenStreetMap-Kartenausschnitt mit Route vom Hauptbahnhof zur Carl-Miele-Straße
Karte: © OpenStreetMap

„Im Sommer 1994 haben sich Nahverkehrsfreunde aus Braunschweig und Umgebung zusammengefunden, um sich über den öffentlichen Personennahverkehr auszutauschen. Im Vordergrund standen das Interesse und die Erfahrungen an der Technik, dem System, der Geschichte und der Zukunft.“

Doch es wurde sich nicht nur ausgetauscht, seit über zehn Jahre organisiert der Verein auch eine vom Verein Braunschweiger Verkehrsfreunde übernommene Tradition, nämlich die Neujahrsfahrt, eine Rundfahrt durch Braunschweig mit historischen Straßenbahnfahrzeugen. Für Nicht-Braunschweiger ist es etwas schwierig, wie empfohlen im Vorverkauf an Fahrkarten für die Fahrt zu kommen, denn man bekommt sie nicht im Versand sondern nur vor Ort im Servicecenter der BSVG, der Braunschweiger Verkehrs-GmbH. Gut, wenn man jemanden kennt, der zur Weihnachtszeit dort vorbei schauen konnte!

Anfang 2024 war es also wieder soweit, am 7. Januar ging es vom Braunschweiger Hauptbahnhof aus zunächst quer durch die Innenstadt in den Norden auf der selben Strecke, die auch die Linie 1 sowie bis zum Abzweig Hamburger Straße auch die Linie 2 befährt. Es fuhren gleich zwei historische Straßenbahnen: ein Duewag-Gelenkwagen mit der Nummer 35 sowie LHB-Gelenkwagen 7756 mit Beiwagen 7772. Plätze sowie Fahrkarten hätte es in beiden noch gegeben, wir entschieden uns jedenfalls für den Beiwagen.

Schleife Carl-Miele-Straße

Von vorne: Gelenkwagen 7756 im orangenen 1970er Flower Power-Design neben Triebwagen 35 in beige mit grünen Streifen
Duewag-Gelenkwagen 35 neben LHB-Gelenkwagen 7756 in der Schleife an der Carl-Miele-Straße

Den ersten Fotohalt gab es in der Schleife am Halt Carl-Miele-Straße. Regulär halten die Straßenbahnen der Linie 1 hier nur an den auf der Karte unten eingezeichneten Steigen A und B an der Robert-Bosch-Straße. Die Steige C und D liegen an der separaten Schleife, aber nicht gegenüber: Steig C liegt an der südlichen Einfahrt und dient bei hier endenden Kursen nur zum Ausstieg, Steig D dahinter zum Einstieg. Das rechte Gleis auf den Bildern, auf dem der Duewag-Gelenkwagen 35 steht, hat keinen eigenen Steig, wobei bei den Hochflurbahnen hier das bisschen höherer Einstieg ohnehin nur Makulatur ist.

OpenStreetMap-Kartenausschnitt mit Route von der Carl-Miele-Straße zur Anklamstraße
Karte © OpenStreetMap

Wir hätten hier bei der Ausfahrt bereits zurück nach Süden gekonnt, wir fuhren aber weiter nördlich zur Endhaltestelle „Heideblick“ in Wenden (genau, das ist da, wo die Ostfriesen auf dem Weg nach Braunschweig immer umdrehen, hahaha, Hammerwitz, luschdig… nicht). Die Zeit ließ hier keinen erneuten Fotohalt zu, aber das ist ja auch ganz gut so, man muss ja nicht an jeder Milchkanne Bilder machen.

Anschließend ging es den ganzen Weg zurück in die Innenstadt und das dauert schon mal etwas mehr als 20 Minuten. Danach auf direktem Wege über die regulär nur Mo-Fr befahrene Trasse entlang der Leisewitzstraße in den Süden zum Sachsendamm, wo die Straßenbahn südlich vom Autobahnkreuz Braunschweig Süd auf einmal ein kurzes Stück zwischen den beiden Fahrspuren der dort beginnenden A 36 fährt, inklusive zwei dazwischen eingeklemmte Haltestellen. Doch der Spuk währt nur kurz, an einem Gleisdreieck verzweigen sich die beiden Linien 1 und 2 nach Westen bzw. Osten.

Heidberg Anklamstraße

Wir nahmen zunächst den kürzeren Streckenast östlich nach Heidberg Anklamstraße, wo auf Gleis A noch ein regulärer, moderner Tramino stand. Die Traminos wurden ursprünglich von der polnischen Firma Solaris, bei uns bekannt für ihre Busse, gebaut, 2018 wurde das Geschäft aber an die Schweizer von Stadler verkauft.

Wenige Augenblicke später fuhr der Tramino ab, so dass Duewag-Gelenkwagen 35 mit unserem Flower Power-Oldtimer gleichziehen konnte.

Der beige-grüne Wagen mit der Nummer 35 und Baujahr 1962 ist ein EGT6, d.h. ein sechsachsiger Gelenkwagen, ebenso wie der im orangenen Schlagerdesign (dazu gleich mehr) beklebte 7756 aus 1977, der zwischenzeitlich als Fahrschul- sowie Partywagen verkehrte, und in der Regel mit dem im identischen Design gehaltenen Beiwagen 7772 fährt. Während letztere LHB-Lizenzbauten des Typs „Mannheim“ sind, ist Nummer 35 ein waschechter Duewag, wobei die korrektere Herstellerbezeichnung wohl „Düsseldorfer Waggonfabrik, Teil der Waggonfabrik Uerdingen“ wäre, denn unter dem Namen „Duewag“ agierte man nur von 1981 bis 1999, bis Siemens die Aktienmehrheit von der Waggonfabrik Talbot übernahm.

Stöckheim Salzdahlumer Weg

Nach dem einen südlichen Streckenast wollte auch der andere, längere nach Stöckheim noch befahren werden, wozu am Dreieck Sachsendamm die ansonsten nur von wenigen Kursen in Tagesrandlagen (laut aktuellem Fahrplan nach 22:30 Uhr sowie sonntags vor 9 Uhr) befahrene Ost-West-Verbindung befahren wurde:

OpenStreetMap-Kartenausschnitt des Gleisdreiecks Sachsendamm
Karte © OpenStreetMap

An der Endhaltestelle Salzdahlumer Weg fand dann bereits der nächste Fotohalt statt, diesmal ohne tieferen Grund mit beiden Straßenbahnen hintereinander:

Von schräg vorne rechts und breit, Triebwagen 35 beige mit grünen Streifen, Gelenkwagen 7756 im orangenen 1970er FlowerPower-Motiv
Duewag-Gelenkwagen 35 vor LHB-Gelenkwagen 7756 an der Endhaltestelle Salzdahlumer Weg

Hier bestand Gelegenheit, unsere LHB-Garnitur bestehend aus Gelenkwagen 7756 und Beiwagen 7772 mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Diese ist wie bereits erwähnt in einem Design gehalten, das trotz der Blumen und 1970er Jahre-Thema nichts mit „Flower Power“ zu tun hat, denn dieses Motto ist nur bis Anfang dieses Jahrzehnts verorten und Baujahr von 7756 ist ja 1977. Nein, es handelt sich um eine anmietbare Schlagertram! Zu meinem Glück wurde diese Fahrt aber nicht entsprechend beschallt…

Von der Seite und in voller Breite, Gelenkwagen 7756 und Beiwagen 7772 im orangenen 1970er Flower Power-Design und mit lustigen Sprüchen
LHB-Gelenkwagen 7756 mit Beiwagen 7772 an der Endhaltestelle Salzdahlumer Weg

Auch Beiwagen 7772 bekam das spezielle Design verordnet:

Seitlich von vorne links, im orangenen 1970er Flower Power-Design mit lustigen Sprüchen
LHB-Beiwagen 7772 an der Endhaltestelle Salzdahlumer Weg

Und passend zum Schlagerthema mussten auf beide Wagen auch noch mehr oder weniger lustige Sprüche der Sorte „Dsching, Dsching, Dschingis Bahn“:

OpenStreetMap-Kartenausschnitt mit Route vom Salzdahlumer Weg zum Tram-Depot
Karte: © OpenStreetMap

Vom Salzdahlumer Weg ging es zurück zum Dreieck Sachsendamm und wieder in die eigentliche Stadt. Aus irgendeinem Grund bogen wir hier ab zum Hauptbahnhof und hier hätte die Fahrt zu Ende sein können — war sie aber nicht, denn es stand noch ein Highlight bevor.

Um dieses zu erreichen, musste aber noch ein Umweg gefahren werden, denn aufgrund eines „schwerwiegenden Oberleitungsschadens“ nach einem Unfall ist die direkte Strecke über den Willy-Brandt-Platz bis auf Weiteres nicht befahrbar. Das bedeutet: Umleitung via John-F.-Kennedy-Platz und Museumstraße. Warum man dann nicht gleich vom Bürgerpark geradeaus wieder über die Leisewitzstraße fuhr, keine Ahnung…

Aufgrund dieser Streckensperrung fuhr übrigens auch die Linie 5, die von Broitzem Turmstraße normalerweise über Friedrich-Wilhelm-Straße, Museumstraße und Willy-Brandt-Platz nach Hauptbahnhof fährt, eine Umleitung, nämlich vom Dreieck Waisenhausdamm über eine regulär nicht befahrene Verbindungskurve zum John-F.-Kennedy-Platz und von dort zum Hauptbahnhof.

BSVG-Depot

Um das Highlight zu erreichen, musste die Helmstedter Straße hinter der Haltestelle Ackerstraße verlassen werden und der Kenner weiß: das einzige dort abzweigende Gleis führt entlang der Straße „Am Hauptgüterbahnhof“ zum BSVG Tram-Depot. Davor gibt es zwar eine reguläre Haltestelle, die aber auch von aus- und einrückenden Straßenbahnen nicht bedient wird, nur vom Bus. Aber wir wollten natürlich auch nicht nur bis zur Haltestelle sondern in das Depot!

OpenStreetMap-Kartenausschnitt mit dem BSVG Tram-Depot
Karte: © OpenStreetMap

Und dafür musste erst mal eine Schleife um die Werkstatt und die Waschhalle (übrigens schon mal überlegt, wie man dort eine Oberleitung rein baut?) gefahren werden. Im Depot fuhren wir dann hintereinander auf Gleis 28, das zweite von Süden. Auf Gleis 25 standen weitere historische LHB-Wagen: in weiß mit dunkelroten Streifen Gelenkwagen 7755 und zwei weitere unerkannte, sowie Wagen 7775 ganz in weiß.

Wir waren aber leider nicht zur Besichtigung im Tram-Depot, da hätte die BSVG auch etwas dagegen gehabt und deswegen das rot-weiße Flatterband im zweiten Bild oben. Stattdessen gab es eine halbe Stunde Pause für einen kurzen Imbiss an einem aufgebauten Verkaufsstand der Interessensgemeinschaft Nahverkehr. Die Auswahl war mit Bockwürstchen, Cola, Kaffee und Glühwein vielleicht etwas knapp bemessen, etwa für Vegetarier, und Souvenirs gab es auch nicht, aber gut.

Nach etwa drei Stunden ging es dann zurück zum Startpunkt am Hauptbahnhof, wiederum umgeleitet über die Museumstraße.

Shine pride like a diamond

Und der hier begegnete uns am Braunschweiger Hauptbahnhof abschließend dann auch noch: Tramino 1455 weist nur vorne und hinten das übliche rot-weiß-graue BSVG-Design auf, der größte Teil wurde mit dunkelblauer Folie und roten, orangenen, gelben, grünen, blauen und hellblauen Streifen beklebt, dazu eine Regenbogenflagge, ein Peacezeichen, einen fliegenden Löwen — das Symbol der BSVG — und Sprüche wie „Shine pride like a diamond“ und „Wir bringen dich hin so wie du bist“.

Von schräg vorne rechts, das eigentliche rot-weiß-graue Design wurde überklebt mit dunkelblauer Folie, darüber rote, orangene, gelbe, grüne, blaue und hellblaue Streifen, einem Peace- und einem geflügelten Löwensymbol sowie mehrere Sprüche wie z.B. ''Shine pride like a Diamond''
Am Braunschweiger Hauptbahnhof: Tramino 1455 “Shine pride like a Diamond“